Geburtstag unter Bomben, eine traurige Realität

«Wir feiern den 6. Geburtstag meines Sohnes unter Belagerung. Es gibt keine Geschenke, keine Kerzen,  dafür aber unbezahlbare Erinnerungen.»

Unser Kollege in Gaza erzählt uns von den Herausforderungen, die es mit sich brachte, trotz der anhaltenden Bombardierungen den Geburtstag seines Sohnes zu feiern.

 

Heute feiert mein Sohn seinen sechsten Geburtstag.  Ich wollte ihm und den anderen Kindern im Haus Geschenke kaufen, aber leider funktionieren die Geldautomaten nicht aufgrund der derzeitigen Stromausfälle in ganz Gaza. Obwohl ich versucht habe, einen Geschenkeladen zu finden, waren alle Geschäfte geschlossen. Es wird schwierig sein, diesen Geburtstag unter diesen Umständen zu feiern.

 

Ich frage mich, warum das Feiern von Geburtstagen für uns so schwierig ist. Es ist doch nur eine einfache Sache, die alle Kinder geniessen sollten, unabhängig von ihrer Nationalität oder ethnischen Zugehörigkeit. Doch in Gaza ist das derzeit nicht möglich. Letztendlich konnten wir kein Geschenk für meinen Sohn finden, aber wir haben zumindest versucht, schöne Erinnerungen zu schaffen, die wir für immer in Ehren halten werden.

 

Meine Frau hatte es geschafft, die Zutaten für einen Kuchen zu besorgen und versicherte uns, dass es auf jeden Fall etwas geben würde, um den Anlass zu feiern. Während sie und meine Schwester damit beschäftigt waren, den Kuchen zu backen, beschloss meine Tochter, dass es eine Überraschung werden sollte. Sie bat alle im Haus, den Kuchen vor meinem Sohn geheim zu halten, bis die Vorbereitungen abgeschlossen waren. Deshalb gaben wir alle vor, seinen Geburtstag in diesem Jahr nicht feiern zu können, als er uns danach fragte. Er ist nur ein unschuldiges Kind und glaubte mir natürlich. Er war sehr traurig, dass er seinen Geburtstag  dieses Jahr verpassten würde.

 

Meine Tochter beauftragte mich, meinen Sohn aus der Küche fernzuhalten. Wir sind also nach draussen gegangen und haben Subway Surfers gespielt. Da momentan offline Spiele so ziemlich das Einzige sind, was wir mit unseren Handys machen können.

 

Mein Sohn fragte mich: «Werden wir meinen Geburtstag feiern, wenn wir nach Hause zurückkehren?» «InschAllah», sagte ich. «Wenn wir nach Hause zurückkehren und unser Haus nicht zerstört wird, werden wir eine grosse Geburtstagsfeier für dich ausrichten.»

 

«Kann ich meine Freunde einladen?», fragte er. Ich antwortete ihm, dass er einladen könne, wen er wolle, vorausgesetzt, sie sind noch am Leben, nach dieser grausamen Situation.

 

Kurz darauf riefen uns die Kinder in ein Zimmer und fingen an, Happy Birthday zu singen. Mein Sohn war sichtlich überrascht und sein Lächeln war riesig. Ich hatte den Eindruck, dass dies einer seiner glücklichsten Momente seit langem gewesen sein musste. Die Kinder lachten, sangen und machten viel Lärm im Haus. Sie machten Fotos mit den anderen Kindern und unserer Katze, die ein Teil all unserer besonderen Momente ist.

 

Leider konnte ich keine Kerzen für den Kuchen finden. Deshalb baten wir meinen Sohn, sich etwas zu wünschen, indem er ihn anschnitt. Als ich ihn fragte, was er sich wünsche, antwortete er selbstbewusst: “Ich wünsche mir, dass der Krieg beendet wird.”

 

Sein Wunsch wird von allen Menschen in Gaza geteilt. Tatsächlich ist es der Wunsch von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt. Aber diejenigen, die die Macht haben, ihn zu erfüllen, zeigen Gleichgültigkeit oder Ignoranz.

 

Später am Abend, nach unserer kleinen Feier, versammelten wir uns in unserem Zimmer – ich, meine Frau, mein Sohn, meine Tochter und natürlich die Katze. Wir sprachen über viele Dinge.

Mein Sohn hat sich nach meiner Familie erkundigt. Er hat beim Umzug zu meinen Eltern viele neue Leute kennengelernt und wollte wissen, wer sie alle sind und wie sie miteinander verbunden sind. Er fragte auch nach Israel und warum sie uns angreifen. Er fragte nach seiner Schule und seinen Freunden. Seine Fragen sind so einfach und kindlich, aber gleichzeitig auch so ernst und beunruhigend für ein Kind.

 

Wir haben uns alle umarmt und ich musste meine Tränen verstecken. Ich dachte daran, dass dies das erste Mal seit Beginn des Krieges war, dass wir gemeinsam einen schönen Moment hatten und unser Leben eine positive Wende nahm.

 

In Gedanken dankte ich Allah für all die Dinge, die er uns gibt und hoffte, dass wir bald wieder unser normales Leben führen können. Wir lieben es, unser Leben zu leben und wollen keine unschuldigen Menschen leiden sehen.

 

Wir wollen Frieden, aber es besteht die Möglichkeit, dass wir nicht die Gelegenheit haben werden, menschliche Werte und Rechte zu erfahren und unseren Kindern beizubringen. Es kann sein, dass sie nicht die Möglichkeit haben werden, sie zu erlernen.

 

*Dieser Beitrag wurde anonymisiert, um die Sicherheit unseres Kollegen zu schützen.