Unser Kollege in Gaza berichtet von der Furcht und Verwirrung, die er empfunden hat, als am vergangenen Wochenende bei dem Einmarsch der Bodentruppen in Gaza die Kommunikation unterbrochen wurde:
Drei Wochen sind vergangen, seitdem wir gezwungen wurden, unsere Heimat zu verlassen, und wir haben noch immer keine sichere Unterkunft gefunden. Ständig erhalten wir schreckliche Nachrichten, die nur Trauer, Kummer und Schmerz bringen.
Meine Frau hat gerade die traurige Nachricht erhalten, dass ihr Cousin ums Leben gekommen ist. Sie hat die Familie angerufen, um ihr Beileid auszusprechen. Kurz darauf hat sie sich Sorgen gemacht, dass wir nicht genug Wasser haben, um unsere Wäsche zu waschen. Wir haben uns so sehr an den Tod gewöhnt, dass es nur noch eine Nachricht ist, die wir überbringen, ohne dass wir wirklich Zeit dazu haben, die Trauer und den Verlust der Angehörigen zu verarbeiten.
Wir erfahren, dass ein geliebter Mensch gestorben ist und sagen: “Möge seine Seele in Frieden ruhen” und gleichzeitig denken wir auch darüber nach: “Wir könnten die Nächsten sein. Wir wissen nur nicht, wann.” Die Situation ist schwer zu ertragen. Der Tod ist die Norm, das Überleben die Ausnahme. Den Sonnenaufgang von morgen zu erleben, ist ein Privileg, das nicht jedem zuteil wird.
Jede Nacht wiederhole ich vor dem Zubettgehen das Glaubensbekenntnis, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich am nächsten Tag aufwachen werde. Meine Tage beginnen damit, dass ich die Nachrichten meiner Angehörigen überprüfe, um zu sehen, ob sie noch am Leben sind. Wir schreiben uns gegenseitig Nachrichten und beten, dass wir eine Antwort bekommen.
Wir sind allein und haben das Gefühl, von der Welt im Stich gelassen worden zu sein. Wir werden als Kollateralschaden eines Krieges betrachtet. Wir werden als weniger bedeutend, weniger gleichberechtigt und weniger menschlich angesehen und deshalb einfach übergangen.
Ich weiss nicht mehr, was ich sagen soll. Mein Herz brennt und mein Verstand wird von Verzweiflung, Angst, Agonie, Schmerz und Erschöpfung überflutet. Vielleicht wird jemand diese Zeilen lesen, vielleicht auch nicht. Ich schreibe für den Fall der Fälle. Es ist zu einer Gewohnheit geworden, meinen Schmerz sprechen zu lassen.
Ich kann diese Zeilen niemanden schicken, ich kann niemanden anrufen. Ich sitze hier in der Dunkelheit allein mit meinen Worten. Ich betrachte sie als Zeugnis, wie eine Geschichte im Grab eines Pharaos. Vielleicht wird sie entdeckt und gelesen, wenn ich nicht mehr auf dieser Erde bin. Aber bis dahin bin ich allein, isoliert, verbannt und nutzlos.
Am Freitag, dem 27. Oktober, wurde meine Telefonverbindung plötzlich unterbrochen. Die Verbindung war seit Beginn der Eskalation schlecht, aber wir konnten zumindest Nachrichten senden und telefonieren. Dieses Mal war gar keine Kommunikation mehr möglich.
Wir konnten weder Anrufe tätigen noch Nachrichten empfangen. Anfangs dachten wir, dass es ein Problem mit dem Internet gab, aber nachdem wir feststellten, dass wir auch keine Anrufe tätigen konnten, wurde uns klar, dass etwas nicht stimmte. Wir haben den Router mehrmals neu gestartet, jedoch ohne Erfolg. Mir schoss der Gedanke durch den Kopf, dass eine Bombe auf unser Gebiet abgeworfen worden sein könnte. Ich erstarrte und spürte, wie mein Herz bis zum Hals schlug.
Mein Bruder sagte, er habe gehört, dass eine Bodeninvasion im Gange sei. Meine Mutter erinnerte sich an das alte Radio meines Vaters, das wir schnell einschalteten, aber wir konnten keinen klaren Sender finden. Stattdessen hörten wir Kanal um Kanal, auf denen Evakuierungsbefehle ausgestrahlt wurden.
Schliesslich fanden wir einen Sender, der Nachrichten verbreitete, und erhielten die offizielle Information, dass die Bodeninvasion begonnen hatte. Ich hörte, wie ein Flugzeug nach dem anderen über den Himmel flog und Gaza bombardierte. Ich konnte Explosionen in der Ferne hören und das Summen von Hunderten von Drohnen. Der Lärm war beängstigend, denn ich wusste, dass diese Drohnen bewaffnet und zum Töten bereit waren.
Unsere nächtlichen Gedanken
In dieser Nacht gingen mir alle möglichen Gedanken durch den Kopf. Ich fürchtete, dass wir wahllos bombardiert werden könnten und dass unser Ende nahte. Ich betete zu Allah um Vergebung und dachte daran, dass wir nicht mal einen Krankenwagen rufen konnten, da unsere Telefone nicht funktionierten. Ich befürchtete, dass wir sterben würden, ohne dass es irgendjemand bemerken würde.
Ich musste an meine Freunde im Ausland denken, an meine Schwestern und meine Freunde bei Islamic Relief, die sich regelmässig nach uns erkundigen. Das ist mein Ende, dachte ich. Wir sassen alle schweigend da, jeder in seinen eigenen Gedanken versunken und im Gedächtnis bei denjenigen, die gerade nicht bei uns waren.
Die Eltern meiner Frau befanden sich in Gaza-Stadt und wir im Süden. Sie fing an zu weinen, insbesondere nachdem sie gehört hatte, dass die Luftangriffe in der Stadt zunahmen. Ich sagte ihr, dass wir jetzt in einer Zeit leben, die grausamer ist als im Mittelalter, wo es überall nur Gewalt und Tod gibt und niemand weiss, was einem zustossen kann.
Wenn wir sterben würden, würde es niemand erfahren. Wenn wir verletzt werden, weiss es niemand. Es ist beängstigend, nicht zu wissen, ob unsere Familie und geliebten Menschen in Sicherheit sind. Das Einzige, was uns übrig bleibt, ist die Dinge zu akzeptieren. Das ist die Realität, mit der wir leben müssen.
Wir hoffen zu überleben, aber wir sind zunehmend erschöpft und abgestumpft. Unsere Emotionen werden uns geraubt, unsere Häuser, unser Eigentum, unsere Familien, unsere Erinnerungen und unser Leben. Unser Land wird uns weggenommen.
Während ich diese Zeilen zu Ende schreibe, wurde die Kommunikation endlich wieder aufgenommen. Wir konnten mit unseren Familien wieder Kontakt aufnehmen und uns nach ihnen erkundigen.
Alhamdulillah, bisher geht es allen gut. Aber diese brutale und unsinnige Gewalt muss aufhören. Wir beten und hoffen, dass die internationale Gemeinschaft in der Lage ist, dies zu stoppen.
Bitte unterstützen Sie Islamic Relief dabei, die verzweifelten Bedürftigen in Gaza zu helfen, indem Sie jetzt für unseren Palästina-Notruf spenden. Wir danken Ihnen für Ihre grosszügige Unterstützung.
* Dieser Blog ist anonym, um die Sicherheit unseres Kollegen zu schützen.
Hinweis: Dieser Artikel wurde vor dem Hintergrund der sich rasch verändernden und weiter verschlechternden Situation vor Ort erstellt. Die Informationen waren am Nachmittag des Montags, 30. Oktober, aktuell.Haut du formulaire
In dieser Nacht gingen mir alle möglichen Gedanken durch den Kopf. Ich fürchtete, dass wir wahllos bombardiert werden könnten und dass unser Ende nahte. Ich betete zu Allah um Vergebung und dachte daran, dass wir nicht mal einen Krankenwagen rufen konnten, da unsere Telefone nicht funktionierten. Ich befürchtete, dass wir sterben würden, ohne dass es irgendjemand bemerken würde.
Ich musste an meine Freunde im Ausland denken, an meine Schwestern und meine Freunde bei Islamic Relief, die sich regelmässig nach uns erkundigen. Das ist mein Ende, dachte ich. Wir sassen alle schweigend da, jeder in seinen eigenen Gedanken versunken und im Gedächtnis bei denjenigen, die gerade nicht bei uns waren.
Die Eltern meiner Frau befanden sich in Gaza-Stadt und wir im Süden. Sie fing an zu weinen, insbesondere nachdem sie gehört hatte, dass die Luftangriffe in der Stadt zunahmen. Ich sagte ihr, dass wir jetzt in einer Zeit leben, die grausamer ist als im Mittelalter, wo es überall nur Gewalt und Tod gibt und niemand weiss, was einem zustossen kann.
Wenn wir sterben würden, würde es niemand erfahren. Wenn wir verletzt werden, weiss es niemand. Es ist beängstigend, nicht zu wissen, ob unsere Familie und geliebten Menschen in Sicherheit sind. Das Einzige, was uns übrig bleibt, ist die Dinge zu akzeptieren. Das ist die Realität, mit der wir leben müssen.
Wir hoffen zu überleben, aber wir sind zunehmend erschöpft und abgestumpft. Unsere Emotionen werden uns geraubt, unsere Häuser, unser Eigentum, unsere Familien, unsere Erinnerungen und unser Leben. Unser Land wird uns weggenommen.
Während ich diese Zeilen zu Ende schreibe, wurde die Kommunikation endlich wieder aufgenommen. Wir konnten mit unseren Familien wieder Kontakt aufnehmen und uns nach ihnen erkundigen.
Alhamdulillah, bisher geht es allen gut. Aber diese brutale und unsinnige Gewalt muss aufhören. Wir beten und hoffen, dass die internationale Gemeinschaft in der Lage ist, dies zu stoppen.
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