Unser Kollege in Gaza ist Vater von zwei Kindern. Täglich erzählt er uns von seinem Kampf, in Gaza zu überleben.
«Es ist schon einige Tage her, seit ich das letzte Mal etwas geschrieben habe. Ich bin frustriert und erschöpft und habe keine Hoffnung mehr. Die Situation erschöpft mich geistlich enorm.
Wir alle sind von dieser Gewalt betroffen. Keiner von uns wird unbeschadet herauskommen, weder körperlich noch geistig. Unser Leben wird uns vor unseren Augen entrissen. Unsere Zukunft wird uns geraubt. Wir fallen in ein tiefes, dunkles Loch, aus dem es kein Entkommen gibt.»
Wie die meisten Kinder freut sich auch mein sechsjähriger Sohn auf seinen bevorstehenden Geburtstag, der nächste Woche ist. Vor einem Monat, als die Krise begann und seine Schule geschlossen wurde, war seine erste Frage: «Feiern wir trotzdem meinen Geburtstag?» Ich antwortete: «Natürlich, mein Schatz, alles wird gut gehen.» Zu diesem Zeitpunkt konnte ich mir nicht vorstellen, dass wir einmal aus unserem Haus fliehen müssen und Schwierigkeiten haben, Nahrung, Wasser und Strom zu bekommen.
Ich bete immer noch, dass dieser Albtraum vor seinem Geburtstag ein Ende findet.
Wenn es vorbei ist, könnten wir nach Hause gehen. Aber auch dann wäre sein Geburtstag nicht mehr so wie früher. Besonders sein Zimmer fehlt ihm sehr. Wir gingen immer zu seinem Lieblingsrestaurant, wo er Spiesse und gegrilltes Fleisch bestellte. Es war ungewöhnlich für ein Kind, aber ihm gefiel der Ort. Seine Schwester, die gerne Pizza und Pasta isst, beschwerte sich, dass er immer denselben Ort wählte. Mein Sohn war sehr traurig, als er erfahren hat, dass das Restaurant durch einen Angriff beschädigt wurde und wir dort wohl keine besonderen Erlebnisse mehr erleben werden.
Ich weiss nicht, ob wir als Familie jemals wieder zusammenkommen werden, und die Lieblingsorte unserer Kinder besuchen werden. Es ist unklar, ob sie die Schule besuchen und ihre Freunde wiedersehen können. Wir haben erfahren, dass einer der Freunde meines Sohnes sein Haus verloren hat. Möglicherweise gibt es auch andere, die sich in derselben Situation befinden. Ich weiss nicht, ob unsere Strasse noch existiert, ob die bekannte Ampel noch steht, und wenn ja, ob sich die Menschen jemals dort wieder versammeln werden.
Ich weiss nicht, ob es jemals eine Rückkehr nach Hause geben wird.
Mein Vater und meine Grosseltern lebten in einem kleinen Dorf, wo sie Feldfrüchte anbauten und Tiere züchteten. Sie waren gewöhnliche Palästinenser mit ihren eigenen Traditionen, Erinnerungen, Geschichten und Momenten. Israe hatl im Jahr 1948 ihre Häuser und ihr Land genommen. Sie waren gewöhnliche Menschen, nicht weniger bedeutsam als jeder andere, jedoch haben sie alles verloren.
Hier im heutigen Gaza frage ich mich, ob wir wirklich diesen schweren Weg gehen müssen. Wir wurden aus unseren Häusern vertrieben, enteignet und unterdrückt. Warum müssen die Palästinenser so viel Leid erfahren? Meine Gedanken sind bei den Syrern, Libyern, Jemeniten und Irakern, die wie wir unter enormen Schwierigkeiten leiden.
Wir haben Ausdauer, aber wir sind müde. Wir sind stark, aber wir sind verletzlich. Wir sind stark, aber haben genug davon. Wir sind Menschen genau wie alle anderen. Jetzt müssen wir zusammenstehen und uns gegen das auflehnen, was passiert.
Wir weigern uns, zum Schweigen gebracht zu werden. Wir erzählen unsere Geschichte weiterhin und fordern Gerechtigkeit.
Aber alles, was wir schreiben und sagen, könnte umsonst sein, während immer mehr unschuldige Männer, Frauen und Kinder getötet werden. Krankenhäuser, Schulen, Kirchen und Moscheen werden zerstört. Was bedeutet mein Leben, wenn ich meine Familie nicht retten kann? Wenn ich nicht sehen kann, wie meine Kinder wachsen und gedeihen? Wenn ich nicht einmal meinem Sohn ein Geschenk zu seinem sechsten Geburtstag machen kann oder ein Foto von ihm machen kann?
Er wollte nur ein Skateboard – wie jedes Kind auf der Welt liebt er Spielzeug und Spass haben. Wie jedes andere Kind möchte er auch einfach nur seine Kindheit geniessen und sein Platz im Leben finden. Er verbringt seine Zeit mit seiner Katze Mesho, für die wir kein Futter mehr haben. Meine Kinder möchten, dass ihr Haustier ein Teil unserer Familie bleibt. Allerdings scheint es mir, dass Israel und diejenigen, die Einfluss haben, uns diese Entscheidung abnehmen werden.
Ich möchte nur einen Geburtstag feiern. Liebe Freunde da draussen, wir brauchen Hilfe. Bitte rettet uns.
Bleiben wir solidarisch